Berlin: Zwei Tage, zwei Lesebühnen, zwei Konzepte

Der Eingang eng, zwischen den beiden Glastüren ein Hocker, ein Tischchen mit einer Kasse. Freundliche Begrüßung des dahinter etwas eingequetschten Meikel und ich soll mich doch bei Spider melden. Ich mag die Art, ich mag das Berlinern. Drinnen an der Bar alles in Schwarz und Rot, oder es wirkt so in der spärlichen Beleuchtung. Unverputztes Mauerwerk. In der Luft hängt Rauch. Zerdrückte Kippen in den Aschenbechern. Die Musik hat eine erstaunliche Überlappung mit meiner Playlist. Irgendwie einer der Orte, von denen man dachte, die gibt es nicht (mehr). Das Schokoladen.

Auf der Bühne zwei Mikros, das Licht ist gut, was ich stets gleich bewerte, wenn ich lese. Der Zuschauerraum füllt sich schneller, als man schauen kann. Weitere Sitzmöglichkeiten werden herangeschafft. Ich hole mir ein Getränk.

LSD. Liebe Statt Drogen. Die zweite Bühne, auf der ich als Gast in Berlin lesen werde, läuft such warm, nachdem ich bereits am Vortag beim Tintenschiff die Ehre hatte, aufzutreten.

Zwei Lesebühnen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen, die eine nur eine Seitenstraße von der anderen entfernt, und zwei Konzepte, die sich doch ziemlich unterscheiden.

Das Tintenschiff liegt einmal im Monat in einem wie in einem Kino bestuhlten Hinterraum der Z-Bar vor Anker. Tisch, Lampe. Es gibt zwei feste Crewmitglieder (von denen eines fehlte), freien Eintritt und ein (weit gefasstes) Motto für den Abend, aber kein Programm. Alles offen. Auch der Ausgang des Abends. An dem Tag, zu dem ich dort war (18. September), es war die erste Veranstaltung nach der Sommerpause, war der Besuch leider mau, was sowohl die Zuschauer als die Autoren betraf, und die Dauer der Lesung aus dem Grund überschaubar. Das nächste Mal wird es hoffentlich besser, ich würde es den Veranstaltern gönnen.

Im Tintenschiff

Am darauffolgende Tag im Schokoladen auf der anderen Seite des Blocks. LSD, „eine der ältesten und bekanntesten Lesebühnen Berlins“ (seit 1996), wird alle zwei Wochen von fünf Autoren organisiert (von denen auch nicht immer alle da sind, aber wenn jemand fehlt, wird mit altbekannten Gästen aufgefüllt). An dem Abend, an dem ich aufgetreten bin (19. September), waren vier Autoren und ein Musiker, die das Programm gestellt haben. Alle eingespielt, das merkt man, auch wenn sie es zu verbergen versuchen. Sie sitzen auf der Bühne an einem Wirtshaustisch und es wirkt gemütlich. Wer liest, tut das am Mikro, stehend. Es gibt also einen fixen Rahmen mit jeweils einem Text vor und nach der Pause. Dazu ein offenes Mikrofon. Letzteres war dann wohl mein Part. Zwei Stunden Unterhaltung und Kultur zum Preis von 7 Euro.

Die Texte bei LSD waren sehr unterhaltsam, von Gesprächen zwischen Tauben, die nicht tanzen wollen, von Handwerkern, die Exen beeindrucken und zum Kuchenbacken animieren, von abgesenkten Gleisen, der Suche nach Kugelschreibern und vieles mehr. Hört sich skurril an, war es teilweise auch, aber immer witzig und der Vortrag bei all den Vieren gekennzeichnet von einer sympathischen, aber auch etwas (sie mögen es mir nachsehen) schnoddrigen Art im positiven Sinn, die mir nach dem Abend irgendwie als typisch berlinerisch in Erinnerung bleiben wird. Dazu der Musiker Martin Goldenbaum, der nicht nur sein Handwerk versteht, sondern auch den Abend wunderbar abgerundet hat. Am Ende gab es noch das Schlusslied, das anscheinend auch schon seit zwanzig Jahren am Ende jeden Abends gespielt wird, und da der Textsicherste des Abends der Wirt war (weil anscheinend die zentralen Sänger nicht anwesend waren), hat kurzerhand dieser das Mikro ergriffen. Auch das hat so schön ins Bild gepasst. Und danach? Gespräche, Schulterklopfen, Ghettofaust als Rückmeldung zu meinem Beitrag. Ich freue mich, als „Bereicherung“ bewertet zu werden und trinke zufrieden noch ein Bier.

An beiden Abenden hatte ich wirklich viel Spaß daran, meine Texte vorzutragen. Aber ich habe auch viel über die beiden unterschiedlichen Konzepte gelernt und einiges mitnehmen können.

Und es war mir eine unheimliche Freude in Berlin lesen zu können. Wenn es sich ergibt, komme ich zu beiden Veranstaltungen gerne wieder.

Ach ja, und falls jemanden fragt, welche Texte ich für die beiden Tage gewählt habe. Im Tintenschiff war es „Umwege“, die Geschichte, die bereits in einem E-Book von Donna erschienen ist, und bei LSD „Feedback“, das im Blattwerk veröffentlicht wurde.  

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