Eines vorne weg: Ich bin und werde kein Buchblogger, denn dafür lese ich eindeutig zu wenig (vor allem weil die Zeit für’s Schreiben draufgeht). Aber da ich unlängst über meine Erfahrungen mit „Berlin Alexanderplatz“ berichtet habe und diese nicht besonders positiv waren, will ich nicht den Eindruck entstehen lassen, ich würde nur über anerkannte Meisterwerke nörgeln (das Image des harschen Kritikers passt auch sicher nicht zu mir, dafür habe ich ausreichend Ehrfurcht vor den Büchern und bin mir der Unterschiedlichkeit der Geschmäcker bewusst). Darüber hinaus soll mit dem Beitrag eine (Empfehlungs-)Lücke geschlossen werden, die seit dem letzten Sommer klafft.
Es geht um einen anderen Autor, Zeitgenosse von Döblin, den ich lange sträflich missachtet habe. Im letzten Sommer also habe ich zum ersten Mal einen Roman von ihm gelesen und nun bin ich mit einem weiteren durch. Und beide Male bin ich begeistert gewesen, konnte die Bücher kaum aus der Hand legen.
Die Rede ist von Hans Fallada.
Die Rede ist von den Romanen „Jeder stirbt für sich allein“ und „Der Trinker“.
Handlungen der beiden Romane nachzuerzählen möchte ich mir sparen (dafür gibt es Wikipedia), aber ich will versuchen zu beschreiben, warum mich die Texte so gepackt haben.
Fallada wird Sachlichkeit nachgesagt, und tatsächlich: er schrieb unglaublich nüchtern und glasklar – und das bis zur Schmerzgrenze. Man hat das Gefühl, er musste das so schreiben, kein Taktieren, kein Spielen mit dem Text oder dem Leser. Er ist Berichterstatter, aber er steht nicht daneben, man merkt, dass er involviert ist. Dennoch lässt er sich nicht zu Firlefanz hinreißen.
Er beschreibt menschliche Regungen und Handlungsweisen und die treibenden Kräfte dahinter vollkommen nachvollziehbar. Selbst das Zusteuern auf den Abgrund ist logisch. Wie die Protagonisten selbst (etwa Erwin Sommer im „Trinker“ oder den Quangels in „Jeder stirbt für sich allein“) ist sich auch der Leser der drohenden Folgen und des Endes bewusst, trotzdem bleibt das Handeln der Quangels konsequent und selbst die Lust, mit der Sommer trinkt, die Erleichterung, ja die Einlösung, die er verspürt, kommt beim Leser an.
Ein bisschen muss ich an Falcos Songzeile aus „Titanic“ denken:
Denn wer sich retten tut,
der hat zum Untergang kan Mut..
Diesen Mut lässt Fallada bei seinen Helden jedenfalls nicht vermissen.
Es ist diese Ambivalenz, das Ringen mit der (oder besser: gegen die) Vernunft, das Agieren gegen den Überlebenswillen – und doch fühlt und leidet man mit den Protagonisten. Dies vor allem – gezaubert in einer klaren Sprache und eingebettet in eine spannende Geschichte mit glaubwürdigen Charakteren – stellt für mich ganz große Kunst dar.
Mit meiner Unwissenheit über Falladas Romane hatte sich das Vorurteil der Niedlichkeit eingenistet, aber nichts ist falscher als das. Auf diesen Irrtum haben mich keine geringeren als Elke Heidenreich und der großartige Marcel Reich-Ranicki in ihren Plaudereien über Literatur aufmerksam gemacht. Ich denke es war Ranicki, der dabei gemeint hat, Fallada hätte viel geschrieben, aber bei weitem nicht alles von ihm sei fantastisch.
Ich kann das nach zwei Romanen nicht beurteilen, aber man kann auf Falladas unglaubliche Produktivität schließen, wenn man liest, in welchen Zeiträumen er die Bücher verfasst hat. „Jeder stirbt für sich allein“ mit 700 Seiten entstand in vier Wochen, „Der Trinker“ mit einem Umfang von 300 Seiten und nicht minder schwierigen Lebensumständen in zwei. Kaum vorstellbar.
Eines ist für mich jedenfalls klar: Wenn ich mal wieder Lust auf Literatur dieser Epoche habe, dann steht „Kleiner Mann – was nun?“ ganz oben auf meiner Leseliste (gleich neben der Empfehlung zu Stefan Zweigs „Die Welt von gestern“).