10 Jahre „Fast eine Jugend“

Fast könnte ich nostalgisch werden und in Erinnerungen schwelgen. Oder was heißt hier „fast“? Am 1. Juli 2013, also vor zehn Jahren ist mein erster Roman erschienen. Wobei das mit der „Nostalgie“ und dem „Schwelgen“ ist vielleicht zu positiv konnotiert, eine ehrliche Rückschau ist meines Erachtens mehr angebracht.

Natürlich war für mich das Datum der Veröffentlichung von „Fast eine Jugend“ ein Meilenstein, denn mit dem Schreiben des Romans habe ich noch einmal etwa zehn Jahre früher begonnen. Damals, 2002, war ich aus meiner heutigen Sicht echt noch jung. Mit dem Schreiben des Buches habe ich tatsächlich deshalb begonnen, weil ich von dem Roman eines Autors, den ich bis dato eigentlich sehr mochte, bitter enttäuscht wurde. Für mich war das ein Schlüsselerlebnis, weil ich mir gedacht hatte: „Das kann ich besser!“ Klingt überheblich, ich weiß, aber ich hatte mich auch wirklich sehr über das Buch geärgert.

Und dann, eines Morgens auf dem Weg ins Büro, hatte ich die Idee zu der ersten Szene, in der Friedrich die Suppe ins Zimmer seines kranken Bruders bringt und diesen leblos vorfindet. Und nach dem Aufschreiben dieser Szene hatte sich die Geschichte einfach weiterentwickelt, ohne jedes Plotten. Sie hat sich mir aufgedrängt. Und so schreibe ich bis heute. Die Charaktere treiben die Texte, und wenn es läuft, dann brauche ich dafür nicht mehr dazu zu tun, als zu schreiben. Ich fühle mich dann viel mehr als ausführendes Organ oder Befehlsempfänger meiner Protagonisten, doch bitte endlich ihre Geschichte aufzuschreiben. Irgendwie schräg.

Das Ende von „Fast eine Jugend“ ist mir dann wieder auf dem Weg ins Büro eingefallen. Damals in den USA, wird also 2004 gewesen sein. In meinem Jeep Wrangler sitzend und grübelnd wusste ich plötzlich, wie das Buch enden musste. Ich wurde für den Ausgang der Geschichte wirklich oft gescholten, aber alles andere als dieses Ende wäre meines Erachtens falsch gewesen. Danach hat es etwa noch ein Jahr gedauert, bis ich das fertige Manuskript ersten Lesern vorgelegt habe, und ein weiteres Jahr später, also 2006, habe ich begonnen, Verlage anzuschreiben. Von da an hat es also noch einmal mehr als sechs Jahre gedauert, um einen Verlag zu finden, und schlappe sieben bis zum Erscheinen.

Mache ich mir die Jahreszahlen bewusst, dann wundere ich mich tatsächlich, warum ich nicht den Mut und den Glauben an das Buch verloren habe.

Wenn ich meine Fehler in den Jahren seit dem Versenden des ersten Exposees Revue passieren lasse, dann ist es die eigene Fehleinschätzung, die mich am meisten schmunzeln lässt. Mit der Überzeugung, die Literaturwelt und allen voran die Verlage warten nur auf mein Werk, wirkt aus heutiger, sehr ernüchterter Sicht, putzig naiv. Die Gedanken über Kriterien, die anzuwenden seien, um zwischen den ganzen Verlagen, die natürlich (!) den Roman im Programm haben wollten, zu wählen, haben sich als exorbitant weltfremd und unnütz erwiesen.

2010 hatte ich erste Erfolge bei Literaturwettbewerben, 2011 sind endlich Texte von mir zwischen Buchdeckeln veröffentlicht worden. Nachdem ich 2012 den Schaeff-Scheefen-Preis gewonnen hatte, kam auch der Kontakt zu dem Verlag zustande, der den Roman letztlich veröffentlicht hat.

Und die Reise mit dem Buch „Fast eine Jugend“ in der Hand begann. Der Roman ist nicht der sicher geglaubte Durchbruch geworden („Die Welt war einfach noch nicht reif dafür!“ 😊) und ich bin selbst der Meinung, dass mein Schreiben mit den Jahren handwerklich geschickter, reifer und vielleicht auch leichter geworden ist. Aber ich bin sehr dankbar für die Erfahrungen und Erlebnisse, die mir das Buch beschert hat. Zahlreiche Lesungen in Deutschland und Österreich, Rückmeldungen, Gespräche. Alles. Danke an jeden Käufer und Leser des Romans, an Buchhandlungen, die mich unterstützt haben, an Journalisten, die darüber geschrieben haben, und an alle Besucher bei Veranstaltungen. Ihr wisst nicht, wie viel mir das noch immer bedeutet. Aber wofür ich am meisten dankbar bin, sind die Menschen, die ich um mich hatte und die damals an mich geglaubt haben. Ihr werdet für immer einen Platz in meinem Herzen haben (das klingt jetzt ordentlich pathetisch, ist aber so und muss auch einmal erwähnt werden).

Heute bin ich wieder in einer ähnlichen Situation wie 2006. Mein zweiter Roman „Das seltsame Verschwinden des Peter Weniger“ existiert seit 2018 in der Rohfassung, wobei das Schreiben des Textes diesmal deutlich kürzer, gerade mal etwas mehr als ein halbes Jahr, gedauert hat, aber die Verlagssuche zieht sich bereits wieder seit Jahren (nachdem mein alter Verlag leider nicht mehr existiert). Aber zugegeben, in den Jahren der Pandemie hatte ich das Projekt gänzlich auf Eis gelegt und erst seit kurzem wieder revitalisiert. Vor ein zwei Wochen habe ich das erste Mal bei einer Veranstaltung aus dem Text gelesen, was mir sehr viel Spaß gemacht und mich beflügelt und bestärkt hat, dass der Text etwas kann. Aber mal schauen, ob ich noch einmal einen solchen Atem beweisen kann, wie mit „Fast eine Jugend“.

Danke jedenfalls noch einmal für alles, du liebes Buch!

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