Ja, ja, ich weiß: Jeder hat zum Brexit schon fast alles gesagt – Dummes, und manchmal war auch Intelligentes dabei. Jetzt also auch noch ich. Aber keine Sorge, es gibt keine Analyse über das Abstimmungsverhalten, die wirtschaftlichen Konsequenzen oder Kommentare zu Politikerrücktritten. Ich war und bin nur nach wie vor über die Entscheidung enttäuscht. Weniger, weil ich finde, die britischen Regierungen hätten sich die Jahre über durch beeindruckende Kooperationsbereitschaft oder das angestrengte Arbeiten auf ein gemeinsames Ziel hin hervorgetan. Man mag sie sogar als Nörgler oder Egoisten empfunden haben. Aber sie waren Teil des Ganzen, das ich als wertvoll erachte. Ich habe versucht, das auf Twitter folgendermaßen zusammenzufassen:
Still sad about #Brexit :( … damage to the idea of #Europe, but probably worse for #Britain itself. Good luck!
— Oliver Graf (@_oliver_graf_) 25. Juni 2016
Nach dem Bekanntwerden von Aussagen einiger Briten, die nicht zur Abstimmung gegangen sind oder im Glauben an den sicheren Verbleib kroteskerweise dagegen gestimmt haben, wurde mir richtig mulmig. Nichtwähler? Protestwähler? Personen, die im Nachhinein ihre Entscheidung bedauerten oder zugaben, von Populisten in die Irre geführt worden zu sein. Ja, denn da war auch noch die 350 Millionen Pfund Lüge der Ukip. Das alles hatte mich zu einem weiteren Tweet veranlasst:
Democracy is the responsibilty of each single person. It’s not a game. Unfortunately the demagogues still play … #Brexit #Bregret #Trump
— Oliver Graf (@_oliver_graf_) 26. Juni 2016
Zu guter Letzt habe ich noch einen Spiegelartikel zu dem Thema geteilt, der von Mr. Trump und seinem Tweet aus Schottland berichtete, in dem er den Schotten dazu gratulierte, sich ihr Land zurückgeholt zu haben – ignorierend, dass die Schotten mehrheitlich für den Verbleib in der EU gestimmt hatten. Auf das Teilen dieses Artikels wurde jedoch eher ungehalten reagiert:
Einerseits fühle ich mich durchaus geschmeichelt, zusammen mit dem Spiegel zitiert zu werden, die verallgemeinerte Verunglimpfung der Schotten kann mich dann schon ziemlich aufregen, aber den Vergleich der diktatorischen Sowjetunion mit der EU empfinde als nahezu unerträgliches Stück politischer Polemik. Warum, das muss ich hoffentlich nicht erläutern …
Die Frage ist vielleicht auch, wie weit eine solche Meinung verbreitet ist. Na, zumindest wurde mir noch folgendes auf Facebook präsentiert:
Ich bin beileibe kein glühender Anhänger der EU als Apparat, auch funktioniert sie zu gut als Auffangbecken für ausgemusterte Landespolitiker und zu wenig in der Bewältigung echter Krisen, wie jene der Flüchtlinge, der Finanzen usw. Von Lobbyisten geführte Diskussionen über TTIP hinter verschlossenen Türen sind kein Ruhmesblatt transparenter Politik. Die Liste der Missstände ließe sich nahezu beliebig weiter führen. Aber die Idee der Europäischen Union erachte ich trotz allem als ein fortschrittliches und friedenstiftendes Instrument, das es für unsere Kinder zu bewahren gilt.
Ich habe mir überlegt, ob ich auf den Quatsch mit der UdSSR überhaupt reagieren soll, aber vielleicht ist es an der Zeit, einfach mehr gegen diesen, die Stimmung anheizenden Blödsinn aufzutreten, als ihn nur hinzunehmen. Unter Umständen hilft die Diskussion, dass am Ende des Tages weniger Menschen ihr Abstimm- oder Wahlverhalten bedauern.
Das ist mein bescheidener Kommentar dazu.