Es gibt Fragen, die mich immer wieder beschäftigen, deren Antworten mich aber komischerweise nicht wirklich interessieren. Ich weiß natürlich, ich könnte googeln und die allwissende Suchmaschine würde eine Antwort parat haben, aber ich will nicht.
Denn vielleicht ist die Frage und das Wissen um die Antwort gar nicht so wichtig, wie gerade empfunden. Zudem ist das Wissen an sich – zumindest in meinem Gehirn – etwas flüchtig geworden, aufgrund einer zugegebenermaßen begrenzten Aufnahmekapazität und der Flut an Informationen. Wie oft habe ich mir beim Ergebnis einer Suchanfrage gedacht: ‚Das merk ich mir jetzt sicher!‘, aber ich habe nicht nur die Antwort, sondern sogar die Frage wieder vergessen. Beides irgendwo verschüttgegangen.
Mit der Existenz und Nutzung von Google scheint mein persönlicher Aufnahmewille irgendwie geschrumpft zu sein. Ist ja eh immer alles verfügbar.
Das nervt ein wenig. Ebenso wie eigentlich auch der ewige Besserwisser Google nervt. Wobei ja nicht Google selbst in Erscheinung tritt, es sind ja die willigen Handlanger der Suchmaschine. Menschen um mich herum – und ich selbst!
Eine Welt von Besserwissern sind wir geworden. Keine Frage bleibt unbeantwortet. „Wie schreibt man eigentlich ‚Kiesch‘? Du weißt schon, dieses französische Dingsda.“ Die Antwort kommt prompt: „Wart, ich schau mal schnell nach!“ Oder besser: „Ich google das mal.“ Und man spricht den Begriff ins Mikro des Smartdevices, was hilfreich ist, weil man ja nicht weiß, wie man ihn schreibt. Smart eben.
Und wir unterbrechen Gespräche, bei denen uns eine kleine Ungereimtheit auffällt, um kurz die Aussage zu kontrollieren. Das Smartphone wird herausgezogen (schnell noch nebenbei gecheckt, ob eine Nachricht gekommen ist) und dann – paff – wird korrigiert. Weil „auf Google steht … “ – und das Gespräch macht die Biege.
Mit einem Mal sitzen wir alle in der ersten Reihe, recken den Arm mit zwei gestreckten Fingern nach vor, sodass wir fast aus der Bank purzeln, und rufen: „Herr Lehrer, ich weiß was!“
Es wird kaum mehr eine Anstrengung unternommen, um selbst eine Antwort zu finden. Früher hätten wir uns vielleicht „Kiesch, Kisch, Quiche, Quisch“ nebeneinander auf einen Zettel aufgeschrieben und das Gefälligste herausgesucht. Meistens hat es gepasst.
Man könnte sich aber auch die Frage merken, um später nachzuschlagen. Ein frivoler Gedanke, denn wozu die Mühe machen. Trotzdem, vielleicht waren es die „Mühen“, die wir auf uns genommen haben, dass wir uns das Dingsda dann doch irgendwann einmal gemerkt haben.
Und da wir heute alle Besserwisser sind, meinen wir vielleicht auch, wir seien insgesamt alle schlauer geworden. Jeder hat jetzt Wissen parat, es gibt keine Dummen mehr. Prima. – Die Intelligenz hängt nur ein wenig von der Netzqualität ab.
Vom Thema Datenschutz mal ganz zu schweigen. Die angepasste Werbung ist doch praktisch: Kaum habe ich den Begriff des französischen Eier-Milch-Mürbteig-Kuchens gegoogelt, bietet mir Amazon bei meinen nächsten Webbesuchen dezent auf jeder zweiten Seite schon entsprechende Backformen an. Cookies sei dank.
Und natürlich können wir das alles glauben, „weil es ja auf Google steht“ (die Aussage zwingt mir den Vergleich auf: Wurde und wird der Anspruch auf Wahrheit nicht ab und zu mit dem Satz begründet: „Weil es in der Bibel steht“?). Denn es handelt sich dabei ja um die selbstregulierende Schwarmintelligenz der gesamten Menschheit! Klar. Bin zufrieden – und blende aus, wie das mit Schwarmintelligenz und den Millionen Followern der YouTuber irgendwie aufgehen könnte.
So, jetzt aber genug gemeckert. War nicht früher der deklarierte Slogan von Google „Don’t be evil“? Sicher bin ich mir aber nicht mehr, das müsste ich jetzt … ich sag’s nicht.