What do we want?

Berlin, 15. September 2023. Mittagshitze.

What do we want?
Climate justice!
When do we want it?
Now!

… wird bei der Klimademo skandiert, und ich mitten drin. Laut Veranstalter sind 23.999 mit mir hier. Das Brüllen von solchen Parolen gehört bei Anlässen wie diesen mit Sicherheit dazu, aber ich fühle mich dennoch unwohl. Ich schreie nicht gerne nach, was mir andere vorschreien, mache deshalb auch nicht mit und fühle mich dann plötzlich wieder nicht so zugehörig wie gerade eben noch, als Luisa Neubauer auf der Bühne stand und mit Leidenschaft das anprangerte, was der „eigentliche Skandal“ ist, nämlich, dass es diese Proteste noch braucht, weil die Politik nicht in die Pötte kommt. Und diese Unzufriedenheit fühle ich ebenso. Man, oder besser: ich, würde mir wirklich wünschen, dass endlich ein Ruck durch jene Länder geht, die die Ausbeutung der Erde seit Jahrhunderten vorantreiben, die Ausbeutung, auf die sich der Wohlstand des globalen Nordens gründet, und so die Hauptverantwortung dafür trägt, dass wir den Karren mit steigender Geschwindigkeit an die Wand fahren.

Und so pendle ich hin und her bei dieser Klimademo in Berlin zwischen potenzieller Verzweiflung, weil die Reden wieder die Anzahl der Baustellen, die wir haben, verdeutlichen und Freude darüber, dass so viele hier sind, um zu protestieren. Vor allem junge Menschen stehen vor mir vor der Bühne und streiken. Das freut mich, kitzelt aber wieder ein bisschen an dem Gefühl, ob ich hier nicht doch falsch bin, und ich mache mich etwas kleiner, weil ich die meisten Schüler überrage.

Und dazwischen immer wieder die Emotion, die besonders stark in mir ist, die mich schon auf dem Weg von zu Hause zum Bahnhof immer wieder mit einer Heftigkeit gepackt hat, die überraschend für mich war.

Ich habe mich auf diesen Trip nach Berlin, den Besuch der mutmaßlich größten Weltklimademonstration in Deutschland an diesem Tag, bereits seit der Entscheidung zu fahren, wirklich gefreut. Ich wollte das erleben, dabei sein, meinen Beitrag leisten, vielleicht wollte ich in der Masse von Menschen, die ähnlich denken wie ich, Zuversicht schöpfen – hört sich altbacken an, aber bezüglich der Klimaveränderungen fällt es mir schwer, meinen normalerweise vorherrschenden Optimismus beizubehalten. Aber das Gefühl, das banal erscheinen mag, mich dennoch so niedergerissen hat, war jenes, etwas Sinnvolles zu tun.

Meine Meinung ist, dass, wenn wir die Klimakrise nicht in den Griff bekommen, alle anderen gesellschaftlichen Probleme, die wir haben, in den Hintergrund rücken werden. Die Klimakrise wird der Motor für Veränderung, und auch wenn Veränderung per se nicht schlecht sein muss, sehe ich diese mit massiven Auswirkungen auf uns zukommen. Nicht nur die unmittelbaren Katastrophen, die heute bereits immer wieder und überall auftreten, Überschwemmungen, Flutwellen, Hitzephasen, Waldbrände, Erwärmung der Weltmeere, Artensterben, you name it! Finanzielle Fragen werden Existenzen, aber auch Staaten gefährden, der viel zitierte Wohlstand wird dadurch mal so richtig gefährdet werden. Es wird zu Migrationsströmen kommen müssen, weil Teile der Erde vor allem im globalen Süden nicht mehr bewohnbar sein werden. (Insofern könnte man eigentlich erwarten, dass Menschen, die in diesen Migrationsströmen die größte Gefahr sehen, als Klimaaktivisten in der ersten Reihe sein müssten. Für mich ein Paradoxon, dass nicht die AfD-FPÖ-Anhänger am Asphalt kleben, aber wenn man Wissenschaft ignoriert, lässt sich auch das erklären.) Und zahlreiche zusätzliche Veränderungen werden die Folge eines Klimakollaps sein, zwar weder die Auslöschung der Erde noch der Menschheit, aber es wird zu Verschiebungen von politischen Gefügen kommen, deren Krachen wie das Reiben von tektonischen Platten sein wird. Klingt auch etwas dystopisch für mich.

Oder sind wir nicht schon mitten drinnen in diesen Veränderungen, nur können oder wollen es als Gesellschaft nicht fassen? Oder hocken wir wie die Maus vor der Schlange, die sich nicht bewegen kann?

Manchmal ist es zum Verzweifeln. Und da ich das nicht will, bin ich nach Berlin. War es wichtig für die Veranstaltung? Nicht wirklich. Aber es war wichtig für mich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert