Vor einem Jahr habe ich erstmals beim Literaturwettstreit des Pegnesischen Blumenordens teilgenommen und man kann meine Eindrücke von der Veranstaltung damals gerne nachlesen. In diesem Jahr wurde ich gebeten, als Juror teilzunehmen. Dazu kam es, weil das mit dem Einsendeschluss auf mysteriöse Weise nicht klappte. Mein Kalender suggerierte mir ein Datum zehn Tage nach dem Abgabetermin. Irgendein Loch in der Kommunikationskette muss es da wohl gegeben habe – um nicht der Vermutung Raum zu verleihen, ich wäre zu doof gewesen, das richtige Datum einzutragen.
Jedenfalls habe ich einem der Organisatoren mein Bedauern ausgedrückt, dass ich in diesem Jahr nicht an dem Wettbewerb teilnehmen kann – eben, weil Termin versemmelt. Die für mich überraschende Antwort war sinngemäß: „gut, dass du schreibst, willst du nicht stattdessen in die Jury?“.
Natürlich wollte ich. Es war mir eine Ehre gefragt worden zu sein und eine Freude, daran teilzunehmen. Irgendwas zwischen dem Gefühl der Anerkennung für die Qualität des eigenen Schreibens und dem Zutrauen, auch andere Texte beurteilen zu können.
Die Organisatoren des Wettbewerbs hatten aus den Einsendungen die ihres Erachtens besten sechs Texte ausgewählt, die dann im Irrhain vorgetragen werden sollten. Diese Texte habe ich als Juror einige Tage vor der Veranstaltung anonymisiert erhalten. Ich konnte mir also schon ein Bild machen und eine Reihenfolge für mich zurechtlegen, aber, und darauf legen die Veranstalter des Wettbewerbs wert, es soll nicht nur der Text bewertet werden, sondern auch der Vortrag. Also war meine Liste nur Ausgangspunkt für den Tag selbst.
Am 14. Mai war es so weit. Wieder mit dem Rad in den Irrhein – weil: Wetter perfekt – und alte Bekannte wiedergetroffen. Es ist einfach schön Menschen wiederzusehen, die die Leidenschaft für Literatur und das Schreiben mit einem teilen und deren Wege sich seit Jahren immer wieder kreuzen. Also, großes Hallo und gute Gespräche schon bevor es losging. Und auch wenn sich die Jury, wie immer dreimal weiblich und dreimal männlich besetzt, schon vorher unterhalten hat, über die Texte und die persönliche Bewertung wurde kein Wort verloren.
Dann kamen die Vorträge und das Abstimmen. Und tatsächlich, die anfängliche kleine Unsicherheit, ob man nicht vollkommen daneben lag mit der eigenen Bewertung, verflog. Jeder entschied nach seinem subjektiven Bewertungskatalog – und das war das Spannende daran. Eine Spannung, die sich nach dem Wettbewerb in bereichernden Diskussionen über die Texte mit den anderen Jurymitgliedern auf wunderbar anregende Weise auflöste.
Meine drei Favoriten waren auch jene der gesamten Jury und des Publikums, denn auch die Zuhörer hatten die Möglichkeit, ihre Stimme abzugeben, die in die Gesamtbewertung als „siebtes Jurymitglied“ einfloss. Meine Reihenfolge war eine andere, aber auch die letztliche Siegerin hat es meines Erachtens auf alle Fälle verdient den Goldenen Blumentopf 2022 mit nach Hause zu nehmen.
Für mich war es ein wunderbarer Nachmittag im Irrhain, dem vermutlich noch weitere Besuche in diesem Sommer folgen werden. … und ein Skandälchen, wie im Vorjahr, blieb aus.